Die Merseburger Rabensage ist nicht nur die bekannteste der Stadt, sondern fand durch ihren Fabelcharakter auch Eingang in Schulbücher in der Schweiz, Finnland und Frankreich. Bereits bei der ersten Niederschrift dieser Anekdote mit Lehrcharakter im Jahr 1668 durch den Chronisten Georg Möbius hatte dieser aber erhebliche Zweifel an der Schilderung geäußert und darauf hingewiesen, dass die Behauptung, dies sei unter Bischof Thilo v. Trotha geschehen, nicht stimmen könne, da dieser zwar einen Raben mit Ring im Schnabel im Wappen trage, dieses Wappen sich aber auch bei seinen Vorfahren nachweisen lasse. Zudem sei die Begebenheit in keiner der alten Chroniken vermerkt worden. Es dürfte sich also um eine Ausschmückung des Volksmundes handeln, der aus dem vielfach in Merseburg angebrachten Wappen (Thilo v. Trotha war fast ein halbes Jahrhundert lang – 1466 bis 1514 – Bischof von Merseburg) eine eigene Geschichte ersann oder aber es handelt sich um eine Sage aus der Familie v. Trotha, die später auf Thilo übertragen wurde, weil er der bekannteste Vertreter der Familie ist.
Die Sage selbst bleibt von universeller Bedeutung, schildert sie doch, wie der Bischof einen Diener hinrichten lässt, weil er ihn beschuldigt, einen Ring entwendet zu haben. Diesen Ring findet Jahre später ein Dachdecker im Rabennest auf dem Domturm wieder, so dass der Bischof erkennen muss, dass er einen Unschuldigen töten ließ. Spätere Variationen machten daraus die Stiftung des Rabenkäfigs als Sühne für den Fehler, von der Möbius nichts erzählt, wahrscheinlicher ist es für Werner Wolff (Merseburg einst und jetzt 7/2001), der dies zusammengetragen hat, dass Thilo einen Raben hielt, weil dieser auf dem Wappen seiner Familie zu sehen ist, wie man es ja von vielen Orten kennt. Wolff fand auch einen Artikel aus dem Jahr 1934, in dem berichtet wird, dass der 1887 erbaute Rabenkäfig enorme Kosten verursachte, und dem aktuellen Raben nicht mehr zu behagen scheint, weshalb der Schlossermeister Kurt Patzsch einen neuen, geräumigeren Käfig schuf, in dem der Rabe besser fliegen kann, was die „Tierfreundliche Vereinigung Chemnitz“ im Jahr zuvor eingefordert hatte, die dann auch einen Teil der Summe dazu gab. Den größten Anteil an den Kosten gab aber die Stadt Merseburg, die dafür Restgelder vom Denkmal für Friedrich Wilhelm III. verwendete.